Erfolg, der

Einer der Indikatoren für ein gesundes, erfolgreiches und auch erfülltes Leben ist Gewissenhaftigkeit. Gewissenhaftigkeit zeichnet sich durch hohe Ausprägungen in Umsichtigkeit, Ordentlichkeit, Pflichtbewusstsein, Selbstdisziplin und Besonnenheit aus.1Wirtz, M. A. (2022). Gewissenhaftigkeit im Dorsch Lexikon der Psychologie. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/gewissenhaftigkeit Neuere Studien legen nahe, dass nicht nur Intelligenz, sondern neben Extrovertiertheit vor allem Gewissenhaftigkeit zum beruflichen Erfolg führt. 2Alderotti, G., Rapallini, C., & Traverso, S. (2021). The Big Five Personality Traits and Earnings: A Meta-Analysis. 38.3Nyhus, E. K., & Pons, E. (2005). The effects of personality on earnings. Journal of Economic Psychology, 26(3), 363–384. https://doi.org/10.1016/j.joep.2004.07.001

Berühmt wurde das s.g. „Marshmello Experiment“ von Walter Mischels in den 60/70iger Jahren, mit dem er versuchte Gewissenhaftigkeit (insbesondere Selbstdisziplin) bei Kindern abzubilden. Die Kinder bekamen jeweils einen Marshmello und das Versprechen des Versuchsleiters, dass sie noch ein weiteres Marshmello bekommen würden, wenn sie auf den Verzehr des ersten verzichten, bis nach einer gewissen Zeit der Testleiter wieder zurückkommt. Kinder, die nicht auf den Testleiter warteten und das Marshmello verspeisten, waren später weniger erfolgreich in der Schule. Einen ähnlichen Test gibt es auch für erwachsenere Menschen: „Sie erhalten jetzt 20 € oder in einem halben Jahr 50 €. Wie reagieren sie?“4Kirby, K. N. (2009). One-year temporal stability of delay-discount rates. Psychonomic Bulletin & Review, 16(3), 457–462. https://doi.org/10.3758/PBR.16.3.457
Relativ gesichert ist, dass Menschen, die Belohnungen aufschieben können, seltener drogenabhängig werden, seltener an ADHS leiden5Knouse, L. E., Traeger, L., O’Cleirigh, C., & Safren, S. A. (2013). Adult Attention Deficit Hyperactivity Disorder Symptoms and Five-Factor Model Traits in a Clinical Sample: A Structural Equation Modeling Approach. Journal of Nervous & Mental Disease, 201(10), 848–854. https://doi.org/10.1097/NMD.0b013e3182a5bf33, seltener übergewichtig oder fettleibig werden6Sutin, A. R., Ferrucci, L., Zonderman, A. B., & Terracciano, A. (2011). Personality and obesity across the adult life span. Journal of Personality and Social Psychology, 101(3), 579–592. https://doi.org/10.1037/a0024286 und seltener an der Borderline-Störung erkranken.7Koster, N., Hopwood, C. J., Goodman, M., & Zanarini, M. C. (2019). Correlates between Five‐Factor Model traits and the Revised Diagnostic Interview for Borderlines dimensions in an adolescent clinical sample. Personality and Mental Health, 13(4), 197–204. https://doi.org/10.1002/pmh.1459
Eigentlich auch wenig überraschend: je öfter unser Gehrin belohnt wird, desto geringer ist auch der Wert eben jener. Wir werden zu Junkies.

Allgemein führt Gewissenhaftigkeit, ich nenne es gerne Triebverzicht, eher zu einem glücklicheren und ausgeglicheneren Leben. In unserer individualistischen Gesellschaft werden solche Menschen häufig bewundert, eben weil sie oft erfolgreich sein. Wir schreiben diesen Erfolg IHRER Leistung zu, IHRER Gewissenhaftigkeit, ihrer Selbstdisziplin, ihrem Triebverzicht, wie auch immer wir es nun nennen wollen. ABER….

……..in einer neuen Auflage dieses Experiments wurde mit einer viel größeren Grundgesamtheit gearbeitet und auf eine angemessene soziale Durchmischung der Kinder geachtet (Anders als beim Originalexperiment, wo die Kinder alle die Vorschule des Stanford-Universitätcampus besuchten). Damit konnte viel besser der sozio-ökonomische Hintergrund von gewissenhaft und weniger gewissenhaft handelnden Kindern abgebildet werden. Ergebnis: Erfolg ist offenbar keine Frage von Willensstärke, sondern der sozialen Lage der jeweiligen Familie. Kinder aus armen Haushalten warten seltener auf den zweiten Marshmallow. Es wird vermutet, dass diese Kindern sich nicht auf Belohnungen verlassen können, (materielle) Versprechen öfter gebrochen wurden und sie deshalb sich eher Belohnungen sichern, die garantiert sind.8Watts, T. W., Duncan, G. J., & Quan, H. (2018). Revisiting the Marshmallow Test: A Conceptual Replication Investigating Links Between Early Delay of Gratification and Later Outcomes. Psychological Science, 29(7), 1159–1177. https://doi.org/10.1177/0956797618761661 Geduld, so könnte man es zusammenfassend umschreiben, muss man sich also leisten können. Es ist weniger eine Leistung, als das Resultat sicherer Verhältnisse.

Quellen

  • 1
    Wirtz, M. A. (2022). Gewissenhaftigkeit im Dorsch Lexikon der Psychologie. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/gewissenhaftigkeit
  • 2
    Alderotti, G., Rapallini, C., & Traverso, S. (2021). The Big Five Personality Traits and Earnings: A Meta-Analysis. 38.
  • 3
    Nyhus, E. K., & Pons, E. (2005). The effects of personality on earnings. Journal of Economic Psychology, 26(3), 363–384. https://doi.org/10.1016/j.joep.2004.07.001
  • 4
    Kirby, K. N. (2009). One-year temporal stability of delay-discount rates. Psychonomic Bulletin & Review, 16(3), 457–462. https://doi.org/10.3758/PBR.16.3.457
  • 5
    Knouse, L. E., Traeger, L., O’Cleirigh, C., & Safren, S. A. (2013). Adult Attention Deficit Hyperactivity Disorder Symptoms and Five-Factor Model Traits in a Clinical Sample: A Structural Equation Modeling Approach. Journal of Nervous & Mental Disease, 201(10), 848–854. https://doi.org/10.1097/NMD.0b013e3182a5bf33
  • 6
    Sutin, A. R., Ferrucci, L., Zonderman, A. B., & Terracciano, A. (2011). Personality and obesity across the adult life span. Journal of Personality and Social Psychology, 101(3), 579–592. https://doi.org/10.1037/a0024286
  • 7
    Koster, N., Hopwood, C. J., Goodman, M., & Zanarini, M. C. (2019). Correlates between Five‐Factor Model traits and the Revised Diagnostic Interview for Borderlines dimensions in an adolescent clinical sample. Personality and Mental Health, 13(4), 197–204. https://doi.org/10.1002/pmh.1459
  • 8
    Watts, T. W., Duncan, G. J., & Quan, H. (2018). Revisiting the Marshmallow Test: A Conceptual Replication Investigating Links Between Early Delay of Gratification and Later Outcomes. Psychological Science, 29(7), 1159–1177. https://doi.org/10.1177/0956797618761661

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